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Abwasserreinigung

Pilotversuch mit Aktivkohlestufe

Der Himmel ist grau, Schneematsch bedeckt die Grünflächen, es nieselt und die Temperaturen bewegen sich knapp über dem Gefrierpunkt. Trotzdem herrscht bei den Herren, die auf dem weitläufigen Gelände der Kläranlage in Lieblos zusammengekommen sind, beste Stimmung. Den Grund dafür liefern die positiven Ergebnisse eines zukunftsweisenden Pilotversuches auf der Anlage des Abwasserverbands Gelnhausen: Gemeinsam mit der Firma Huber hat der Verband eine neue Aktivkohlestufe getestet und damit die intensiven Gespräche über die Einrichtung einer vierten Reinigungsstufe mit weiteren Fakten ausgestattet.

Der kalte Wind treibt einen leichten, für Kläranlagen typischen Geruch über das Gelände und das mäßige Tageslicht trägt zu dieser frühen Mittagsstunde auch nicht dazu bei, die Attraktivität dieser unscheinbar wirkenden Anlage zu steigern. Dabei sind Abwasserreinigungsanlagen wie Eisberge, deren größter und wesentlicher Teil unter der Oberfläche verborgen bleibt. Denn sauberes Wasser ist die Grundlage allen Lebens für Pflanzen, Tiere und Menschen und gilt als kostbarste Ressource auf der Erde. Dem Gewässerschutz kommt deshalb auch in der kommunalen Abwasserentsorgung eine enorme Bedeutung zu. Um auch Spurenstoffe wie Rückstände von Arzneimitteln, Biozide und Haushaltschemikalien aus dem Abwasser herausfiltern zu können, bedarf es zukunftsweisender Technik. Der Abwasserverband Gelnhausen hat einen ersten Pilotversuch auf der Verbandskläranlage initiiert und gemeinsam mit der Firma Huber eine neue Aktivkohlestufe als vierte Reinigungsstufe getestet. Der Versuch wurde kürzlich abgeschlossen. Die Firma Huber mit Sitz im bayerischen Berching bietet weltweit Lösungen zur Behandlung von Wasser, Abwasser, Prozesswasser, Sand und Schlamm an. 

„Die Entsorgung und Behandlung von Abwasser steht in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und dem Umwelt- und Naturschutz. Wir müssen uns im Verband daher kontinuierlich fragen, was wir am heute eingesetzten System morgen verbessern können. Dieser Pilotversuch hat uns dafür wesentliche Erkenntnisse geliefert“, lobte Verbandsvorsteher Bürgermeister Daniel Christian Glöckner die Zusammenarbeit mit der Firma Huber.

„Kläranlagenabläufe zählen zu den bedeutendsten Eintragspfaden von Mikroverunreinigungen in Oberflächengewässer. Viele dieser so genannten Spurenstoffe wie Arzneimittelrückstände, Biozide und Haushaltschemikalien sind umwelt- und gesundheitsgefährdend, schwer biologisch abbaubar und können sich in der Umwelt anreichern. Deshalb wurde in den vergangenen Jahren kaum ein Thema intensiver diskutiert als die Einführung der vierten Reinigungsstufe zur gezielten Entfernung dieser Spurenstoffe“, erläuterte Peter Fuchs, Geschäftsführer des Abwasserverbands Gelnhausen, die Hintergründe in Kürze. Er nahm sich dieses bedeutenden, zukunftsweisenden Themas an und initiierte gemeinsam mit der Firma Huber einen ersten Pilotversuch auf der Verbandskläranlage in Lieblos. Mit den Versuchsreihen wurde untersucht, inwieweit sich eine vierte Reinigungsstufe mit granulierter Aktivkohle grundsätzlich für die Anlage in Lieblos eignen würde. Der Versuch startete vor knapp einem Jahr, aber die Betreuungssituation der Anlage wurde durch die Corona-Pandemie erschwert. Trotzdem konnte der Zeitrahmen eingehalten werden. „Die ersten Ergebnisse stimmten uns alle sehr zuversichtlich“, bilanzierte Fuchs. „Bezogen auf die herangezogenen relevanten Indikator-Spurenstoffe des Kompetenzzentrums Spurenstoffe (KomS Liste B) konnten konstant weit über 80, meist sogar über 90 Prozent der Spurenstoffe eliminiert werden“, erläuterte Fuchs.   

„Wir sind sehr froh, dass wir den Versuch hier auf der Anlage des Abwasserverbands Gelnhausen fahren konnten“, so Thomas Netter, Produktmanager bei der Firma Huber. Gerade bei Kläranlagen der Größenklasse vier, zu denen auch die Verbandskläranlage in Lieblos gehöre, seien Verfahren mit granulierter Aktivkohle ideal für die vierte Reinigungsstufe. „Sie lassen sich einfach und modular nachrüsten, benötigen keine aufwändige Kohle-Dosiertechnik und zeichnen sich durch einen minimalen Betriebs- und Wartungsaufwand aus“, so Thomas Netter. „Im Gegensatz zur Pulveraktivkohle kann die granulierte Aktivkohle außerdem reaktiviert und danach größtenteils wiederverwendet werden, was für Betreiber wie den Abwasserverband Gelnhausen eine deutliche Kosteneinsparung bedeutet“, ergänzte Uwe Reuling vom Technischen Vertrieb der Firma Huber.

Doch nicht nur die Beseitigung von im Wasser gelösten organischen Stoffen, auch das Eliminieren von Mikroplastik ist ein Thema für den Abwasserverband Gelnhausen. „Die Mikrosiebung, die einer vierten Reinigungsstufe vorgeschaltet werden kann, würde über 99 Prozent des gesamten Mikroplastiks, das in die Kläranlage gelangt, herausfiltern“, so Fuchs. Während die Versuchsanlage mit der Aktivkohlestufe eher an ein kleines Silo erinnert, würde die vierte Reinigungsstufe natürlich wesentlich mehr Platz einnehmen. Platz, der für das millionenschwere Bauwerk auf der Anlage in Lieblos vorhanden wäre. „Eine vierte Reinigungsstufe könnte dafür sorgen, dass weit weniger Spurenstoffe in die Kinzig gelangen und in Kombination mit der vorgeschalteten Mikrosiebung einen weiteren wichtigen Beitrag für den Gewässerschutz im Main-Kinzig-Kreis leisten“, fasste Fuchs noch einmal zusammen. Laut Netter verfügen derzeit von den rund 9600 Kläranlagen in Deutschland nur etwa 40 über eine vierte Reinigungsstufe. „Im nächsten Schritt werden wir im Verband ein Konzept für die Zukunft entwickeln. Dabei werden neue Methoden der Abwasserreinigung eine gewichtige Rolle spielen“, so Bürgermeister Daniel Chr. Glöckner und Peter Fuchs abschließend.

Foto: Freuen sich über den gelungenen Pilotversuch (von rechts); Bürgermeister Daniel Christian Glöckner, Abwassermeister Kai Geiger, Geschäftsführer Peter Fuchs sowie Thomas Netter und Uwe Reuling von der Firma Huber.